Über Pfingsten zu unterrichten bedeutet, über Jesus nachzudenken. Theologisches und Religionspädagogisches zum Fest des Heiligen Geistes

Horst Heller
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Die Pfingstgeschichte in der Apostelgeschichte ist dramatisch: Windrauschen, Feuerzungen, ein Sprachenwunder, eine Predigt, die die Menschen bewegt, 3000 Taufen an einem Tag. Ist das alles wirklich so geschehen?
Mit dieser Frage beschäftigen sich auch Bibelwissenschaftlerinnen und Bibelwissenschaftler. Sie diskutieren, welche Teile als historisch gesichert gelten können und was als eigenes Werk des Evangelisten gelten kann. Ich finde diese Unterscheidung unangemessen. Lukas ist ein Schriftsteller. Er schreibt aber keine Chronik, sondern eine theologische Erzählung, für die er vorab gründlich recherchiert hat. So sollte sie auch im Religionsunterricht verstanden werden: als ein Stück Literatur mit einer starken Botschaft.

Eine historisch-kritische Analyse der Pfingsterzählung ist religionspädagogisch nicht sinnvoll.

Wenn wir zwischen historischem „Kern“ und lukanischer „Hinzufügung“ unterscheiden, wird es schnell problematisch. Denn Schülerinnen und Schüler fragen sich dann zu Recht: Was stimmt denn überhaupt? Auch andere biblische Texte geraten so unter Verdacht. Zum Herzstück einer angeblichen „Berichterstattung“ finden wir so nicht. Besser ist es, in der Pfingsterzählung des Lukas eine kunstvolle Komposition zu sehen und ihre narrative Theologie zu ergründen.

Was Lukas erzählt – und was nicht

Die Erzählung des Lukas spielt am jüdischen Schawuot, einem mehrtägigen Fest der Tora und der Ernte. Die Stadt ist voller Pilger aus aller Herren Länder – eine bunte Sprachvielfalt erfüllt Jerusalem. Auch die Jünger sind dort, zusammen mit Frauen, die Jesus nachgefolgt waren, und Jesu Mutter und seinen Brüdern. Angst und Mutlosigkeit? Kein Thema bei Lukas. Stattdessen: gespannte Erwartung, gemeinsames Gebet und Gottesdienste im kleinen Kreis.

Dann ein Brausen wie ein Sturm, Feuerzungen und ein Wunder des Verstehens. Menschen aus unterschiedlichsten Regionen hören plötzlich dieselbe Botschaft – jeder in seiner Sprache. Und mittendrin Simon Petrus, der predigt wie nie zuvor: über Jesus Christus, den Gekreuzigten, den Lebendigen, den Erhöhten, den himmlischen Herrscher. Es ist die neue Christologie der Gemeinde. Tausende lassen sich taufen.

Die theologischen Symbole der Geschichte

Wind und Feuer stehen für den Heiligen Geist – ein Geschenk Gottes an Christus, das dieser an die Gläubigen weitergibt. Eine Trinitätslehre findet sich hier nicht. Lukas beschreibt den Geist nicht als göttliche Person, sondern als eine Kraft Gottes für die Gemeinde.

Und das Sprachenwunder? Bibelkundige kennen die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Die Sprachverwirrung wird für einen Tag aufgehoben. Menschen verschiedener Herkunft verstehen einander. Die Botschaft: In der christlichen Gemeinde gelten kulturelle und sprachliche Grenzen nicht mehr. Die christliche Gemeinde ist international.

Was bedeutet das für den Religionsunterricht?

Wir tun gut daran, nicht über Feuerflämmchen und das Symbol Taube zu sprechen. Viel wichtiger ist der Inhalt der Predigt des Petrus:
– Er zitiert den Propheten Joel. Das bedeutet: Heute beginnt eine neue Zeit an.
– Er vergleicht Jesus mit dem großen König David, dessen Grab seine Zeitgenossen noch kennen. Doch Jesus ist nicht im Grab geblieben, er lebt und ist Gott gleich geworden.
– Wer an Jesus Christus glaubt, beginnt ein neues Leben. Schon der Mensch Jesus hatte das von den Menschen gefordert.

Petrus predigt also nicht über die Trinität, sondern über Jesus Christus. Religionspädagogisch bedeutet das: Über Pfingsten zu unterrichten bedeutet, über Jesus nachzudenken.
Wie stellen wir uns den auferstandenen Christus heute vor?
– Was bedeutet es, dass er erhöht worden ist und herrscht?
– Ist Jesus ein Retter? Schon die Engel der Weihnachtsgeschichte hatten das Kind in der Krippe so genannt. Pfingsten ist ein Anlass zum Christologisieren.

Ist Pfingsten der Geburtstag der Kirche?

Ja, das kann man so sagen. Lukas wusste: Am Schawuot-Fest wenige Wochen nach dem ersten Osterfest war die christliche Gemeinde erstmalig in Erscheinung getreten. Petrus hatte an diesem Tag eine Predigt gehalten. Von nun an versammelte sich die Gemeinschaft der Christusgläubigen regelmäßig zum öffentlichen Predigtgottesdienst, vielleicht sogar auf dem Tempelplatz. Nun war die Kirche sichtbar. Ihre Geschichte begann an diesem Tag.

Linktipp
Julia Gerth
, Pfingstgeschichte, bibeldidaktisch (Primar- und Sekundarstufe). https://bibelwissenschaft.de/stichwort/200861/

16.01.2022: „Du sollst nicht töten!“ Die Geschichte zweier mutiger Hebammen, die das verstanden hatten, als noch ein anderes Gesetz galt. Gedanken zur biblischen Geschichte von Mose
29.01.2023: Keine Ikonen, keine Heilige, sondern Menschen mit Courage. Rosa Parks und das neue Vorbildlernen
12.05.2024: Wer nie traurig war, weiß nicht, wie es ist, getröstet zu werden. Religionspädagogische Schlüssel zu den Seligpreisungen Jesu.
28.02.2025 „Was du nicht willst, dass man dir tu…“ Was bestechend einfach klingt, ist didaktisch anspruchsvoll, aber in mehrfacher Weise wertvoll. Die Goldene Regel und das ethische Lernen


Title: Über Pfingsten zu unterrichten bedeutet, über Jesus nachzudenken. Theologisches und Religionspädagogisches zum Fest des Heiligen Geistes
URL: https://horstheller.wordpress.com/2025/06/07/uber-pfingsten-unterrichten/
Source: Horst Heller
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Date: June 7, 2025 at 07:16PM
Feedly Board(s): Religion