Vatikan: „Digitaler Zwilling“ des Petersdoms vorgestellt

400.000 hochauflösende Fotografien, mit Drohnen im menschenleeren Petersdom aufgenommen, eine zweieinhalbjährige Projektphase, der durchgehende Einsatz von künstlicher Intelligenz und die Beteiligung von namhaften Experten verschiedenster Fachrichtungen machten es möglich: Die bekannteste Kirche der Christenheit kann künftig auch virtuell besichtigt werden. Das Projekt wurde an diesem Montag im Vatikan vorgestellt.

Bei der Pressekonferenz erläuterten Microsoft-Präsident Brad Smith und der Leiter der vatikanischen Dombauhütte, Kardinal Mauro Gambetti, das ehrgeizige Projekt, das auch von der rapiden Entwicklung profitierte, die die zugrundeliegenden Technologien innerhalb des Projektzeitraumes selbst durchgemacht hatten. Damit habe man Maßstäbe gesetzt, so die beiden sichtlich zufriedenen Referenten im Vatikan. Bei dem Projekt ging es nicht nur darum, den Petersdom vollständig virtuell zu erschließen. So gibt es nun auch zwei KI-gestützte multimediale Ausstellungen mit dem Namen „Petros Eni“ („Petrus ist hier“), eine interaktiven Webseite und neue Möglichkeiten der Anmeldung für Pilger und Touristen ab dem anstehenden Heiligen Jahr 2025. Alles soll das Besuchserlebnis so fruchtbar und unkompliziert wie möglich gestalten.

Technologisches und menschliches Element

Papst Franziskus wurde das Projekt bereits vorab am frühen Montagmorgen vorgestellt. Künstliche Intelligenz war in allen Projektphasen eingebunden, erläuterte Brad Smith, dessen Konzern die Partnerschaft bei dem Unterfangen übernommen hatte, dann später vor den Journalisten im Vatikan. Dabei handele es sich buchstäblich um eines der „technologisch fortschrittlichsten und ausgeklügelsten“ Projekte seiner Art, so Smith:

„Es umfasst im Wesentlichen drei Schritte. Der erste bestand darin, 400.000 Fotos vom Petersdom zu machen, eine enorme Zahl. Dabei handelt es sich nicht um alltägliche Fotos, sondern sie wurden von Drohnen aufgenommen, bis ins kleineste Detail. Es wurde nicht nur das Bild aufgezeichnet, sondern auch Lasertechnologie eingesetzt, um genau zu wissen, wo sich die Drohne befand und wie weit sie vom Bild entfernt war.“

Unglaubliche Datenmengen

Auch bei der Steuerung der Drohnen, die über einen mehr als dreiwöchigen Zeitraum zu Schließzeiten durch den Petersdom geschickt wurden, war KI im Einsatz, so Microsoft-Präsident Smith. Die dabei produzierte Datenmenge entspreche einem Volumen von fünf Millionen DVDs, welche aufeinandergestapelt eine Höhe von sechs Kilometern erreichen würden, veranschaulichte der Fachmann. Im zweiten Schritt wurden die Fotos wieder dank des Einsatzes modernster KI, realitätsgetreu zusammengefügt: „So haben wir es gemeinsam möglich gemacht, den Petersdom zu erkunden, auf dem Boden zu stehen und die Decke zu betrachten, dann buchstäblich nach oben und durch die Kuppel zu gehen und dann wieder nach unten zu schauen, um sich in der Basilika zu bewegen und zu sehen, was es dort gibt.“

Im „AI for Good Lab“ von Microsoft sei dann in einem dritten Schritt ein spezieller KI-Algorithmus entwickelt worden, um diese Bilder zu scannen. Dieser habe erkennen können, „wo zum Beispiel ein Riss in der Wand ist oder wo ein Stück Mosaik fehlt, so dass die Menschen, die hier arbeiten und für den Erhalt dieses außergewöhnlichen Gebäudes verantwortlich sind und an seiner Restaurierung arbeiten, nun all diese Daten und die Unterstützung der KI haben, um noch besser arbeiten zu können. Das ist es, was wir aus technischer Sicht getan haben.“

„Wir sind heute hier, weil Petrus vor 2.000 Jahren hier war“

Noch wichtiger als das technologische sei allerdings das „menschliche Element“, so Smith: „Wir sind heute hier, weil Petrus vor 2.000 Jahren hier war.“ Schließlich gehe es auch darum, das Leben und Wirken von Petrus sowie die reiche und wechselvolle Geschichte der Kathedrale über die Jahrhunderte zu erzählen, in der die größten Renaissance-Architekten und -Künstler wirkten. „Durch dieses Projekt kann man die Basilika in einer Art sehen, wie sie noch keine Generation zuvor gesehen hat“, versprach der Microsoft-Präsident.

Die neuen Plattformen und Apps sollen Pilgern und Touristen den Besuch des Petersdoms erleichtern; auch der Einsatz der multimedialen Sprachen, von künstlicher Intelligenz und Schulungskursen sollte dabei helfen, so der Erzpriester des Petersdoms, Kardinal Mauro Gambetti, zum neuen multimedialen Besuchs- und Planungserlebnis. An zwei Orten der Basilika werden künftig die virtuellen Ausstellungen sichtbar sein, über das Webportal, das in Zusammenarbeit mit der Assist Group realisiert wurde, soll der Andrang in Echtzeit sichtbar sein; darüber hinaus können Führungen und Gottesdienste organisiert werden.  

„Die Basilika in einer Art sehen, wie sie noch keine Generation zuvor gesehen hat“

 „In diesem Sinne geht es darum, dem Menschen von heute mit Hilfe der digitalen Technologie die Verflechtung von Geschichte, Kunst und Spiritualität zu entschlüsseln, die die Basilika weltweit einzigartig macht. Wenn die Menschen, die die Basilika betreten, das Geheimnis, das sie inspiriert hat und ausstrahlt, irgendwie verstehen, ist unsere Mission erfüllt.“

Basilika dem Menschen von heute erschließen

Eine weitere Neuigkeit: Ab Januar solle der Petersdom auch Teil der „Minecraft-Experience“ werden, also für junge Leute die Möglichkeit bestehen, den kolossalen Bau mit ihrer virtuellen Realität zu betreten und auch didaktisch aufbereitet zu bekommen, so Gambetti.

 „Eine gelungene Verbindung von Technologie und Humanismus. Die beiden Neuschaffungen, das institutionelle Portal und die virtuelle Basilika, sind die Krönung der ,digitalen Mission‘ der Fabbrica di San Pietro“, zeigte sich Gambetti begeistert.

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Erstellung eines „digitalen Zwillings“ des Petersdoms, der in Zusammenarbeit mit Iconem, einem führenden Unternehmen im Bereich der digitalen Bewahrung, entwickelt wurde. Mit Hilfe fortschrittlicher Photogrammetrie und künstlicher Intelligenz ermöglicht diese ultrapräzise 3D-Replik Menschen auf der ganzen Welt, die Geschichte und Architektur des Petersdoms auf interaktive Weise zu erkunden und buchstäblich in diese Welt „einzutauchen“. Dank der millimetergenauen Erfassung des Petersdoms können auch die Restaurierungsbemühungen unterstützt werden, da selbst Spinnennetze oder kleine Haarrisse in den wertvollen Fresken sichtbar gemacht und neue Einblicke in die Struktur und Architektur des Gebäudes ermöglicht wurden. So können auch die nötigen Wartungsarbeiten zielgerichteter vorgenommen werden.

Ein Zeitrahmen von 1.000 Jahren

„Als wir anfingen, über den Einsatz von Informationstechnologie für die Basilika nachzudenken, taten wir dies, indem wir uns vorstellten, dass unsere Tätigkeit, die zur Mission der Dombauhütte gehört – nämlich den Ort zu bewahren, zu erhalten und nutzbar zu machen – über einen Zeitraum von 1000 Jahren hinweg gedacht werden sollte, das heißt, wir sollten dafür sorgen, dass der Erhalt der Basilika mindestens weitere 1000 Jahre von jetzt an gewährleistet ist, und diejenigen, die nach uns kommen werden, um sie zu erhalten, sollten dasselbe tun“, so Gambetti, der die vollständige virtuelle Verfügbarkeit der Basilika – ebenso wie Microsoft-Chef Smith – keinesfalls als Hemmnis für ein persönliches Besuchserlebnis sieht. Dieses sei trotz der neuen Möglichkeiten durch die Künstliche Intelligenz „unersetzlich“, so Smith.

Ein weiteres Herzstück des Projektes stellt die neue webbasierte Plattform dar, die alle Dienstleistungen rund um den Petersdom integriert und verbessert und sie in vier Sprachen verfügbar macht, auf Italienisch, Englisch, Französisch und Spanisch. Die Pilger können so Informationen über die Gottesdienstzeiten abrufen, ihre Besuche planen und spezielle Zugänge und Führungen buchen.

Wieviel das AI-Projekt der digitalen Erfassung des Petersdoms letztlich gekostet habe, wollte Microsoft-Spender Smith bei der Pressekonferenz nicht vertiefen, allerdings wies er darauf hin, dass die dabei entwickelte Technologie nun auch für andere historisch wertvolle Stätten nutzbar sein könnte. Was genau man weiter damit anstellen könnte, wolle er bei einem „freien Wochenende“ nun weiter prüfen, schmunzelte er.  

(vatican news)


Title: Vatikan: „Digitaler Zwilling“ des Petersdoms vorgestellt
URL: https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2024-11/vatikan-dombauhuette-petersdom-ki-projekt-pilger.html
Source: Vatican News – Deutsch
Source URL: https://www.vaticannews.va/de.html
Date: November 11, 2024 at 03:25PM
Feedly Board(s): Religion