MÜNCHEN. Die Chance auf den Besuch des Gymnasiums hängt einer Studie des renommierten ifo-Instituts zufolge nirgendwo so sehr vom Elternhaus ab wie in Bayern. Die bayerische Landesregierung reagiert gereizt. Lehrkräfte sind uneins.

Bayern hat in einer Studie des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland miserabel abgeschnitten (News4teachers berichtete) – nun hat die bayerische Staatsregierung die Wissenschaftler*innen öffentlich scharf attackiert. Die Studie sei einseitig, fragwürdig und methodisch verfehlt, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München. «Wir sind ja immer offen für Kritik. Aber wenn diejenigen, die es beurteilen wollen, offenkundig von der Sache keine Ahnung haben, dann ist es eine angebliche Expertise, die dann nur irreführend, sinnlos und letztlich nutzlos ist.»
Die am Montag veröffentlichte Studie war zu dem Schluss gekommen, dass die Chance auf den Besuch des Gymnasiums nirgendwo so sehr vom Elternhaus abhängen wie in Bayern. Dafür hatten die Autoren die Wahrscheinlichkeit eines Gymnasialbesuchs verglichen: für Kinder aus Familien, in denen die Eltern kein Abitur haben und das Haushaltseinkommen eher niedrig ist mit der für Kinder aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil Abitur hat oder das Haushaltseinkommen im oberen Viertel angesiedelt ist. Der Freistaat ist nach Angaben des ifo-Instituts in dieser Berechnung bundesweit Schlusslicht.
«Mit einer guten Portion Überheblichkeit schauen bayerische Regierungsverantwortliche auf das Bildungswesen der anderen Bundesländer»
Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) hatte bereits am Montag umgehend kritisiert, es sei eine einseitige und fragwürdige Betrachtungsweise, wenn «Chancengerechtigkeit» allein an den Besuchsquoten des Gymnasiums festgemacht werde.
Herrmann sagte nun nach der Kabinettssitzung, die Studie lasse beispielsweise außer Acht, dass Bayern die geringste Zahl an Schulabbrechern habe. Und dass es die unterschiedlichsten Wege gebe, auf denen man zum Abitur kommen könne. «Also das Gutachten ist methodisch verfehlt, und daher ist es im Ergebnis und was die Schlussfolgerungen betrifft unbehelflich, beziehungsweise es ist eigentlich noch problematischer, denn es rät letztlich zu Fehlentscheidungen.»
Auch die Bildungsverbände in Bayern sehen die Studie unterschiedlich. Der Philologenverband (der Gymnasiallehrkräfte vertritt) betonte zwar am Dienstag, beim Thema Bildungsgerechtigkeit müsse man genau hinschauen, kritisierte die Studie aber ebenfalls: Wenn Bildungserfolg mit dem Besuch eines Gymnasiums gleichgesetzt werde, dann sei dies eine bedenkliche gesellschaftliche Denkweise. Gerade Bayern zeige mit seinem vielgliedrigen und durchlässigen Schulwesen, dass in verschiedenen Schularten viele verschiedene Wege zum Bildungserfolg führten.
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) erklärte hingegen, es gebe angesichts der Studienergebnisse Grund zur Sorge, ganz besonders in Bayern. «Mit einer guten Portion Überheblichkeit schauen bayerische Regierungsverantwortliche und Bildungspolitikerinnen und -politiker auf das Bildungswesen der anderen Bundesländer. Das ‚vergleichsweise gute‘ Abschneiden Bayerns in nationalen Vergleichsstudien führt dann dazu, dass die tatsächlichen Probleme kleingeredet werden», meinte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Es wäre sachliche und faktenbasierte Politik, die ifo-Ergebnisse ernst zu nehmen – und für eine bessere Förderung benachteiligter Kinder zu sorgen. News4teachers / mit Material der dpa
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Title: „Verfehlt, sinnlos, nutzlos“: Bayerns Staatsregierung poltert gegen ifo-Bildungsstudie
URL: https://www.news4teachers.de/2024/05/verfehlt-sinnlos-nutzlos-staatsregierung-poltert-gegen-ifo-bildungsstudie/
Source: News4teachers
Source URL: https://www.news4teachers.de
Date: May 14, 2024 at 04:20PM
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