Was Leo XVI. anders macht als Franziskus / Journalist ist von erster Generalaudienz des Papstes beeindruckt

DOMRADIO.DE: Wie wirkte der Papst bei seinem ersten großen Auftritt bei einer Generalaudienz?

Mario Galgano (Redakteur bei Radio Vatikan): Papst Leo XIV. wirkte auf mich sehr herzlich und sichtlich erfreut. Man hat es ihm angemerkt, dass er diese Begegnung mit den Gläubigen genossen hat. Er fuhr zu Beginn im Papamobil durch die Menge und dabei hatte er ein breites Lächeln auf den Lippen. Es war spürbar, wie er die rund 40.000 Pilgerinnen und Pilger aus aller Welt begrüßte, die sich auf dem Petersplatz versammelt hatten. Er strahlte eine ruhige Freude aus, die ansteckend war.

"Es zeigt, dass er seinen Zeitplan auf seine Bedürfnisse abstimmt."

DOMRADIO.DE: Die Generalaudienzen begannen unter Papst Franziskus meist um 9 Uhr. Jetzt wurde das auf 10 Uhr verschoben. Ist Papst Leo ein Langschläfer?

Galgano: "Langschläfer" ist vielleicht nicht die passende Bezeichnung für einen Papst. Aber ja, die Verschiebung auf 10 Uhr ist mir auch aufgefallen. Ich würde es eher als eine kleine Anpassung an seinen persönlichen Rhythmus interpretieren. Es ist üblich, dass neue Päpste kleine Änderungen im Tagesablauf vornehmen, die zu ihrer Arbeitsweise passen. Es könnte sein, dass ihm die zusätzliche Stunde am Morgen für Gebet, Vorbereitung oder administrative Aufgaben wichtig ist. Eine Generalaudienz ist ein öffentlicher und fordernder Termin. Es zeigt, dass er seinen Zeitplan auf seine Bedürfnisse abstimmt.

DOMRADIO.DE:  Wie hat sich Leos Generalaudienz ansonsten von dem unterschieden, was wir von Papst Franziskus gewohnt waren? Gab es stilistische oder atmosphärische Unterschiede?

Galgano: Im Kern setzte Leo XIV. die Katechese-Reihe seines Vorgängers Papst Franziskus zum Thema "Jesus Christus, unsere Hoffnung" fort. Das ist ein starkes Zeichen der Kontinuität. Das kam bei vielen Pilgern gut an. Aber es gab durchaus eigene Nuancen Leos. Während Franziskus oft sehr spontan und direkt war, wirkte Leo XIV. sehr bedacht und tiefgründig. Er begann seine Ansprache mit den Worten: ‚Liebe Brüder und Schwestern, ich freue mich, euch zu dieser ersten Generalaudienz willkommen zu heißen‘, und das klang sehr herzlich, aber auch formuliert. 

Er hat die Bedeutung der Gleichnisse Jesu als Werkzeug, die Hoffnung wiederzufinden, stark betont. Was mich besonders beeindruckt hat, war die Art und Weise, wie er visuelle Elemente in seine Katechese einband. Er sprach über das Gleichnis vom Sämann und nutzte dann ganz konkret das Bild "Der Sämann bei Sonnenuntergang" von Vincent van Gogh, um seine Auslegung zu illustrieren. Das war eine sehr frische und ansprechende Art der Vermittlung, die ich so bei Franziskus nicht in diesem Masse erlebt habe. 

Es zeigte, dass er über den reinen Predigttext hinausgeht und auch künstlerische Zugänge nutzt, um seine Botschaft zu verdeutlichen. Die Atmosphäre war geprägt von dieser Ruhe und gleichzeitig einer tiefen spirituellen Dichte.

"Auch der Besuch im Wallfahrtsort ‚Mutter vom Guten Rat‘ kurz nach seiner Wahl, den er im Gruß erwähnte, war ein schöner, persönlicher Touch und unterstreicht seine Marienfrömmigkeit."

DOMRADIO.DE: Worum ging es in dieser Katechese, abseits der visuellen Ebene?

Galgano: Inhaltlich stand ganz klar das Gleichnis vom Sämann aus dem Matthäusevangelium im Mittelpunkt. Papst Leo XIV. interpretierte es als eine Art Einführung in alle anderen Gleichnisse Jesu. Er hob hervor, dass die Gleichnisse alltagsnahe Geschichten sind, die uns aber zu tieferer Selbstbefragung einladen. Seine Kernbotschaft war die ‚verschwenderische Liebe‘ Gottes, die dem Sämann gleicht, der den Samen ohne Rücksicht darauf ausstreut, wo er landet – sei es auf felsigem Grund, unter Dornen oder auf fruchtbarem Boden. 

Er sagte eindringlich: ‚Wir sind es gewohnt zu kalkulieren – manchmal ist das auch notwendig –, aber in der Liebe zählt das nicht!‘ Das war eine sehr starke theologische Aussage über Gottes bedingungslose Gnade und sein unermüdliches Vertrauen in uns Menschen. Für ihn ist genau darin die Quelle christlicher Hoffnung zu finden: nicht in unserer eigenen Tauglichkeit, sondern im Vertrauen Gottes. Er ermutigte die Gläubigen, sich als ‚besseren Boden‘ zu wünschen, wenn sie Gottes Vertrauen erkennen. Am Ende rief er dazu auf, die eigene Lebenssituation ehrlich zu betrachten und Gott um Unterstützung zu bitten, um ein besserer Boden für sein Wort zu werden. 

In seinen Grüßen an die Deutschsprachigen zitierte er Paulus mit "Jeder wird ernten, was er gesät hat" und betonte die Berufung, in einer zerrissenen Welt Hoffnung zu säen und Frieden zu bauen. Auch der Besuch im Wallfahrtsort "Mutter vom Guten Rat" kurz nach seiner Wahl, den er im Gruß erwähnte, war ein schöner, persönlicher Touch und unterstreicht seine Marienfrömmigkeit.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Jeden Mittwoch findet – zumeist vormittags um 10:00 Uhr – eine sogenannte Generalaudienz (Mittwochaudienz) des Papstes auf dem Petersplatz vor dem Petersdom statt. In den Wintermonaten und bei schlechtem Wetter findet sie in der Vatikanischen Audienzhalle statt. Während der Corona-Pandemie wurde sie aus der Bibliothek gestreamt.


Title: Was Leo XVI. anders macht als Franziskus / Journalist ist von erster Generalaudienz des Papstes beeindruckt
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Source: DOMRADIO.DE – Der gute Draht nach oben
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Date: May 22, 2025 at 12:29PM
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