Weihnachtsinterviews mit Bischof Bätzing und Kardinal Schönborn
Der Limburger Bischof und Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hält das Tempo der kirchlichen Veränderungen in Deutschland für bemerkenswert. Er äußerte sich diesen Donnerstag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der frühere Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn, warb im Weihnachts-Interview mit der Agentur Kathpress dafür, bei Not nicht wegzuschauen.
Georg Bätzing ist seit September 2016 Bischof des Bistums Limburg und seit März 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Im Interview mit der KNA sprach Bätzing (61) am Donnerstag in Limburg über das bevorstehende Weihnachtsfest im Schatten des Ukraine-Krieges und der Energiekrise, aber auch über das Tempo kirchlicher Reformen, Papst Franziskus und die Versäumnisse frühere Bischofsgenerationen beim Thema Missbrauch.
„Gerade jetzt muss es Weihnachten geben. Die Botschaft des Festes ist wichtiger denn je: Friede auf Erden durch den Retter, den Gott gesandt hat. Die Idee von einem wohligen, zufriedenen, friedlichen Weihnachtsfest hat eigentlich nie zugetroffen. Das war schon bei der ersten Weihnacht so: Die Heilige Familie war unterwegs, getrieben von den Besatzern, die einen Zensus machen wollten, in einem sehr unruhigen Land“, erklärte der Limburger Bischof mit Blick auf ein Weihnachtsfest in Zeiten von Krieg und Krisen. Mit Blick auf die Energiekrise erklärte er, s gebe die Empfehlung, die Heiztemperaturen in Kirchen auf 5 oder 6 Grad abzusenken. Es gebe auch Gemeinden, die Heiligabend und Weihnachten mehr heizen wollten, um Menschen nicht vom Besuch der Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. „Das trage ich gerne mit“, so Bätzing.
Bischof Georg Bätzing, Limburger Bischof und Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK)
„Gerade jetzt muss es Weihnachten geben“
Reformtempo flott
Der Vorsitzende der DBK äußerte sich auch zu kirchlichen Veränderungen in Deutschland. „Sagen Sie mir mal, in welchen Jahren und in welchen Generationen es Bischöfe gab, die überhaupt ein solches Tempo an den Tag gelegt haben?“ Er fügte hinzu: „Ich wünschte, es ginge schneller, aber wir müssen auch möglichst zusammenbleiben und möglichst viele mitnehmen.“ Auf die Frage, ob er selbst mutig genug sei, um das umzusetzen, was er für richtig halte, sagte Bätzing: „Wenn ich täglich die Kritik lese, die ich auch bekomme, würde ich schon sagen: Du hältst schon manches aus, du gehst deinen Weg geradeaus nach vorne. Ich würde mal sagen: Das ist nicht wenig Mut in dieser Zeit.“ Ihn bewege derzeit die Frage einer möglichen Priesterweihe von verheirateten Männern, sogenannten viri probati („bewährte Männer“). “ Zuletzt habe ich verheiratete Diakone geweiht und mich innerlich gefragt: Warum sollen die nicht Priester sein können?“
Aus Sicht des Limburger Bischofs ist Papst Franziskus „eindeutig ein Reformer“. Die fast zehn Jahre Franziskus seien „ein Glücksfall für die katholische Kirche, nicht nur wegen seiner eigenen Glaubwürdigkeit im Leben und Verkünden, sondern auch mit Blick auf die Wege, die er öffnet.“ Der Bischof fügte hinzu: „Auch wenn er uns in Deutschland manchmal kritisch gegenübersteht. Er sieht: Kirche wird nur überleben, wenn alle gehört werden. Dahinter werden wir nicht mehr zurückfallen können.“ Bätzing sieht allerdings „noch viel Luft nach oben, wenn es um transparente Entscheidungswege geht, die viele einbeziehen“.
Geänderte Haltung bei Missbrauchsaufarbeitung
Auf die Frage, warum frühere Bischofsgenerationen beim Thema Missbrauch weggeschaut hätten, sagte Bätzing: „Offensichtlich galt die Maxime: Die Institution ist um jeden Preis zu schützen. Das Leid der Opfer wurde schlicht und ergreifend nicht gesehen, nicht zur Kenntnis genommen, auch weil es keinen direkten Kontakt mit den Betroffenen gab.“ Und die Betroffenen selbst seien in der Regel nicht soweit gewesen, „dass sie aufstehen konnten, sie hatten keine Stimme“. Das habe sich Gott sei Dank geändert, „und das verändert uns alle“. Der Bischof fügte hinzu: „Die Kirche selbst, wir haben uns in weiten Teilen unglaubwürdig gemacht, für Viele.“ Ihm sei das Ausmaß der Wut und Frustration bei Gläubigen bewusst. Er wolle erreichen, „dass die Kirche wieder Heimat wird für die Menschen“.
„Die Kirche selbst, wir haben uns in weiten Teilen unglaubwürdig gemacht, für Viele“
Kardinal Schönborn im Weihnachtsinterview
Österreich braucht dringend Migration und eine entsprechende Politik. Das hat
Kardinal Christoph Schönborn im Weihnachtsinterview mit Kathpress und den Medien der Erzdiözese Wien eingemahnt. Schönborn verwies auf Arbeitsbereiche wie Pflege, Reinigung oder auch die Bauwirtschaft: „Ohne die Migration könnte Österreich überhaupt nicht funktionieren.“ Darum sei das Thema der Migrationspolitik auch grundsätzlich von der Flüchtlingsfrage zu trennen, so Schönborn, der zugleich einmal mehr eine solidarische, europäische und gemeinsame Flüchtlingspolitik einforderte.
Schönborn zu Migrationspolitik
Er sei in Integrationsfragen kein Fachmann und wolle deshalb der Politik auch keine weisen Ratschläge geben. „Zu bedenken gebe ich aber, ob das möglich wäre, was auch der Wiener Bürgermeister sagt: die Menschen schneller in den Arbeitsprozess zu integrieren“, so der Erzbischof.
Kardinal Christoph Schönborn bei Radio Vatikan/Vatican News
„Menschen schneller in den Arbeitsprozess integrieren“
Das Beispiel der Bosnien-Flüchtlinge in den 1990er-Jahren zeige zudem, wie Tausende Menschen großherzig aufgenommen wurden. „Sie haben hier ihre neue Heimat gefunden und sind heute bestens integriert“, so Schönborn: „Aus Flüchtlingen werden Mitbürgerinnen und Mitbürger, wenn sie am Leben teilnehmen.“
Schönborn sprach von einem gewaltigen globalen Migrationsdruck, der mit Armut, dem Klimanotstand, Kriegen, sozialer Ungerechtigkeit oder Hungersnöten zu tun habe. „Solche Migrationsströme kann man nicht mit Zäunen eindämmen. Die hat es immer in der Geschichte gegeben“, so der Wiener Erzbischof.
Krieg als Folge schlechter Politik
Was ihn an diesem Weihnachtsfest besonders belaste, sei der Ukraine-Krieg, so der Kardinal weiter: „Ich muss ständig an die Millionen Menschen denken, die in der Kälte und vielfach ohne Strom, ohne Wasser und vor allem ohne Frieden leben müssen.“ Freilich: Er vergesse etwa auch die Not leidenden Menschen in Syrien nicht.
Das Leiden dieser und vieler anderer Länder „ist die Folge einer schlechten Politik, dem Gegenteil einer friedensorientierten und an den Menschen orientierten Politik“. Es erschüttere ihn, so der Kardinal, „dass es den großen Mächten der Welt nicht gelingt, den Menschen ein friedvolles Zusammenleben zu ermöglichen“.
„Den Menschen ein friedvolles Zusammenleben ermöglichen“
Botschaft an alle: Solidarisch sein
Den Österreicherinnen und Österreichern wolle er sagen: „Wir können die Weltpolitik nicht ändern. Aber was wir tun können, ist aufmerksam sein und nicht wegzuschauen, wenn wir auf Not stoßen. Dass wir füreinander sorgen, dass wir miteinander durch die Krise gehen. So einfach ist es.“ Wach und aufmerksam zu sein, sei jederzeit möglich.
Zur Frage, ob es hinsichtlich eines Nachfolgers als Erzbischof von Wien Neuigkeiten gibt, meinte der Kardinal: „Nicht, dass ich wüsste. Der Papst hat eine Bemerkung gemacht, dass er meine Mitarbeit schätzt. Er hat noch nicht von meinem Nachfolger gesprochen, aber es wird ihn sicher geben.“
(kna/kap – sst)
Religion
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December 22, 2022 at 03:58PM