Das Arbeitspapier für die Synodalversammlung 2023 liegt vor.
Jetzt wurde also das Arbeitsdokument („Instrumentum laboris“, kurz IL) für die erste weltkirchliche Synodenversammlung 2023 veröffentlicht. Dieser wird dann die Schlussversammlung im Jahre 2024 folgen. Dann kommt der mehrjährige Synodale Weg der katholischen Weltkirche zum Abschluss.
Synodalisierung der Kirche bis in die letzten Winkel
Das Dokument hat zwei Teile. Im ersten wird einmal mehr dargelegt, was unter dem inzwischen eingebürgerten Wort „Synodalisierung“ zu verstehen ist. Die Kirche soll werden, was sie ist, synodal, eine Gemeinschaft auf dem Weg. Sie ist die Reich-Gottes-Bewegung durch die Zeit, wie Jesus sie angezettelt hat. Der Himmel soll auf die Erde kommen. Schon jetzt.
Wichtig ist den Verfassenden des Dokuments, mit Papst Franziskus eindringlich zu betonen, dass der Protagonist des gesamten Weges der Heilige Geist selbst ist. Dieser aber, so zitiert das Dokument aus 1 Kor 12,7, ist allen gegeben. Eine Kirche, die auf den Geist hört, hört daher auf alle.
Die drei bekannten Stichworte im Untertitel des Synodalen Weges dienen zur Strukturierung des Arbeitsdokuments: Die Kirche ist eine Gemeinschaft, in der alle an der Sendung teilhaben. Es werden daher schon zur Versammlung 2023 nicht nur Bischöfe eingeladen, sondern auch fachkundige Kirchenmitglieder, Frauen wie Männer. Der Schritt von der Bischofssynode zur Synode, eine Forderung so vieler in Synodenumfragen[1], wird getan.
Fragenkreise
Zu diesen drei Themenfeldern Gemeinschaft, Sendung und Teilhabe werden sodann sehr konkrete Fragen gestellt, welche die Diskussionen auf der Versammlung anregen sollen. Hier fällt auf, dass anders, als viele Ortskirchen und selbst die europäische Kontinentalversammlung in Prag 2023 es gemacht haben, der Blick auf die taumelnde Welt fällt. Deren Herausforderungen stehen am Beginn: Kriege, Klimanotstand, himmelschreiende Ungerechtigkeit, Migration, um nur eine Handvoll zu nennen. Dem Konzil getreu steht somit Gaudium et spes im Mittelpunkt und nicht gleich Lumen gentium, wobei, wie Kardinal Franz König uns wiederholt erinnerte, Dei Verbum, das Dokument über die Offenbarung, alle anderen Texte überragt. Die so häufig auch in Reformkreisen anzutreffende „Kirchenimplosion“ findet nicht statt. Die Verfasser hatten wohl das Wort des Papstes im Ohr: „Eine Kirche, die um sich selbst kreist, ist krank.“
Mutig in den Reformthemen
Das Arbeitsdokument weicht dennoch heißen innerkirchlichen Themen nicht aus. Große Aufmerksamkeit erhält das Frauenthema. Es scheint den Autor:innen des Dokuments klar zu sein, dass ohne Fortschritte in der Frauenfrage die Synode scheitern wird. Auf Theologie von Frauen sei aufmerksam zu hören. Der Zugang zu Ämtern soll überprüft werden. Über das Diakonat der Frau müsse diskutiert werden.
Auch die Amazoniensynode (und wohl auch die Eingabe der lateinamerikanischen Kontinentalversammlung) hat deutliche Spuren hinterlassen. Es wird über „Taufämter“ für die vielen Gemeindeleiterinnen in Amazonien ebenso nachgedacht wie über regionale Zugangsbestimmungen zum Priesteramt. Bischof Erwin Kräutler erzählt, dass in den Kulturen der Indigenen ein unverheirateter Mann unvorstellbar ist. Ab er nicht nur der Priestermangel dient als Sprungbrett in die erwünschte Diskussion der Zugangsbestimmungen zum Priesteramt. Auch auf die Einsamkeit vieler Priester zumal in modernen individualisierten Kulturen wird verwiesen.
Der Geist braucht Ordnungen
Das Hören aller auf den Geist und damit das Hören der ordinierten Amtsträger (Pfarrer, Bischöfe, Papst) soll beileibe nicht dem Wohlwollen der Entscheidungsverantwortlichen überlassen bleiben. Vielmehr wird ausführlich über Änderungen im Kirchenrecht nachgedacht, um die bisher im Synodalen Weg gemachten Geist-gewirkten Erfahrungen in rechtliche Ordnungen zu fassen.
Zugleich wird nicht nur rechtlichen Regelungen vertraut: Alle, die ein Leitungsamt (das Wort leadership wird ausdrücklich verwendet) innehaben, sollen eine gediegene Ausbildung erhalten. Auch soll es transparente Auswahlverfahren für Leitungspersonen geben, welche eine Syodalitätstauglichkeit erwarten lassen. Transparenz schafft Glaubwürdigkeit und Zustimmung, so die durchaus moderne organisationswissenschaftliche Annahme.
Abgrenzung zur parlamentarischen Demokratie
Papst Franziskus hat in den letzten Monaten oft vor einer Demokratisierung der katholischen Kirche gewarnt. Aber schadet es nicht den gefährdeten Demokratien, wenn sie durch zu einfache kirchliche Äußerungen als eher inkompatibel mit dem Evangelium dargestellt werden? Das Arbeitspapier erinnert an den Unterschied zwischen Synodenversammlung und parlamentarischen Sitzungssälen eher zaghaft, was allein deshalb gut ist, weil Gottes Geist auch in Parlamenten tätig ist, sein kann oder zumindest sein soll.
Eine „Synodalversammlung kann nicht als repräsentativ und gesetzgebend im Sinne eines parlamentarischen Gremiums mit seiner mehrheitsbildenden Dynamik verstanden werden“. Das ist theologisch klar. Denn streng genommen ist die Kirche eine „Theokratie“ und kann sich nicht selbst erfinden. Dann aber geht das Arbeitspapier beträchtlich über die Demokratieskepsis des Papstes hinaus: Differenzierend wird nämlich gefragt: „Was können wir von der Gesellschaft und Kultur in Bezug auf den Umgang mit Partizipationsprozessen lernen? Welche Modelle können sich hingegen als Hindernis für den Aufbau einer synodaleren Kirche erweisen?“
Das ist eine Frage, die der langjährige Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Bayerischer Staatsminister und Politikwissenschafter Hans Maier[2] mit Blick auf die Synode gestellt hatte, ob nicht die Kirche vom Nachbarn Demokratie lernen kann. Ähnlich fragte das Instrumentum laboris: „Was können wir daraus lernen, wie öffentliche Einrichtungen und das öffentliche und Zivilrecht versuchen, auf die aus der Gesellschaft kommende Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflicht zu reagieren (Gewaltenteilung, unabhängige Kontrollorgane, Verpflichtung zur Veröffentlichung bestimmter Verfahren, Begrenzung der Amtsdauer usw.)?“
Gewinnendes Dokument
An einigen Stellen werden auch Sorgen und Ängste von Gegnern der Synodalisierung benannt. Diese gibt es und können sich – bei allen konfliktvermeidenden Hinweisen auf das Hören auf den Geist und das ständige Gebet – leicht zu einer Zerreißprobe auswachsen. Das Bemühen, auch die Besorgten für eine Synodalisierung und damit einen Umbau ihres Amtsstils zu gewinnen, spürt man an verschiedenen Stellen. Das in Missbrauchszeiten ohnedies nicht mehr erstrebenswerte Bischofsamt könne leichter getragen werden, wenn es von vielen Im Gottesvolk unterstützt wird.
Leichter werden es die organisierten Kirchenreformer haben, auch wenn sie in Interviews berechtigte Zweifel und Bedenken vorbringen werden.
Respekt wird auch – ohne ihn zu nennen – dem Synodalen Weg in Deutschland gezollt. Es wird zur Diskussion gestellt, ob der Missbrauch persönliche oder strukturelle Ursachen hat. Auch regt das Arbeitsdokument eine intensive Diskussion zur Dezentralisierung an, was zumindest im Modus des Fragens die Ergebnisse des Synodalen Weges in Deutschland in einem anderen Licht erscheinen lässt. Noch mehr, es wird gefragt, unter welchen Bedingungen der Papst sich künftig veranlasst sehen kann, ortskirchliche Ergebnisse für die gesamte katholische Kirche zu übernehmen.
Änderung der Personen, aber auch der Strukturen
Pastoraltheologisch kann man den Autor:innen des Instrumentum laboris Dank und Anerkennung zollen. Sie haben aus einem riesigen Berg an Materialien eine attraktive Arbeitsunterlage erstellt. Sie kann durchaus dazu beitragen, das Klima des „Misstrauens, das sich aus verschiedenen Gründen zwischen den verschiedenen Teilen des Volkes Gottes breitgemacht hat“, abzubauen.
Alle werden zu einem Weg der Umkehr eingeladen. Ein solcher „Weg der Umkehr und Reform im Hinhören auf die Stimme des Geistes verlangt Strukturen und Institutionen, die diesen begleiten und unterstützen können. Die Kontinentalversammlungen bringen nachdrücklich ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass Strukturen allein nicht ausreichen, sondern auch ein Mentalitätswandel erforderlich ist, weshalb Investitionen in Ausbildung nötig sind“.
[1] Zulehner, Paul M.: Eine epochale Reformchance, Ostfildern 2021.
[2] Maier, Hans: Was die Kirche vom demokratischen Staat lernen kann – eine Skizze, in: Zulehner, Paul M./Neuner, Peter/Hennersperger, Anna: Synodalisierung. Eine Zerreißprobe für die katholische Weltkirche? Expertinnen und Experten aus aller Welt beziehen Stellung, Ostfildern 2022, 373-382.
Hier finden Sie das Arbeitsdokument.
Title: Weit besser als Pessimist:innen befürchteten.
URL: https://zulehner.wordpress.com/2023/06/21/weit-besser-als-pessimistinnen-befurchteten/
Source: REL ::: Paul M. Zulehner
Source URL: https://zulehner.wordpress.com
Date: June 21, 2023 at 02:34PM
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