Wenn die Kirche ins Kino kommt

Seit Anfang Jänner gibt es in der steirischen Landeshauptstadt Graz eine neue Initiative, welche unter dem Namen „Kirche im Kino“ jeden ersten und dritten Sonntag um 11.11 Uhr eine heilige Messe in einem Kino feiert. Für y-nachten.de zeichnet Dr. Stefan Gmoser, einer der Hauptverantwortlichen, ein erstes Stimmungsbild.

Ausgangslage

Für das Team hinter „Kirche im Kino“ war die Ausgangslage so eindeutig wie komplex: Die üblichen Angebote der katholischen Kirche schaffen es aus den verschiedensten Gründen immer weniger, Menschen zu erreichen. Und das, obwohl die Grundbotschaft des Evangeliums ja eine durchaus erfreuliche ist: Es gibt jemanden, der dich bedingungslos liebt.

Um Glauben wieder als echten Mehrwert vermitteln zu können – sowohl für das persönliche Leben als auch als positiven Beitrag zur Gesellschaft –, war uns klar, dass wir für eine neue Form der Verkündigung das schöne, aber für viele abschreckende, Kirchengebäude verlassen müssen. Stattdessen wollten wir an einen Ort gehen, der bereits von Menschen frequentiert wird oder zumindest positiv besetzt ist, um andere Menschen als bisher erreichen zu können.

Da drängte sich das Kino auf, denn Kino weckt Assoziationen von Aufregung, Spannung, Emotionen und Unterhaltung, von guten Geschichten in einem angenehmen Ambiente, inklusive einer großen Leinwand, roten Sesseln und dem Geruch von Popcorn. Gerade weil Jesus während seines Wirkens auf Erden in erster Linie Bildergeschichten/Gleichnisse erzählt hat, haben wir uns gedacht, wir geben ihm eine Bühne an einem Ort, der für das Geschichtenerzählen prädestiniert ist.

Umsetzung

Mit dem Anspruch, Gottesdienst als ganzheitlich beeindruckendes Erlebnis, gewissermaßen als „Barockmesse des 21. Jahrhunderts“ zu etablieren, haben wir uns auf vier pastorale und liturgische Leitprinzipien gestützt:

  1. Musik. Musik ist seit jeher eine wichtige Begleiterin des Menschen und hat messbaren Einfluss auf Körper und Psyche (Atmung, Herzschlag, Emotionen, Blutdruck etc.). Auch im Gottesdienst nimmt die Musik einen Schlüsselfaktor ein und kann dort den Boden (und die Seele) für das Geschehen bereiten – oder das genaue Gegenteil bewirken. Wir legen daher großen Wert auf Qualität, Songauswahl und deren Einbettung in ein liturgisches Gesamtkonzept. Entschieden haben wir uns für christliche Pop- und Rockmusik, da „weltlicher“ Pop und Rock von vielen, gerade auch jungen, Menschen gehört wird und dadurch eine unmittelbare Identifikation gegeben ist. Immer wieder bauen wir bewusst auch nicht genuin christliche Songs ein, die aber dieselbe Botschaft vermitteln, z. B. „Shallow“ von Lady Gaga oder „Unconditionally“ von Katy Perry. Akustische Soundteppiche, die das gesprochene Wort und die Bilder auf der Leinwand untermalen, runden das Erlebnis ab. Unsere Sänger:innen und Musiker:innen haben alle einen professionellen Hintergrund; viele studieren an der Kunst- oder Jazzuni.
  2. Alltagsrelevanter Inhalt. Jeder Sonntag steht unter einem Thema, z.B. „Die Wüste ist dein McFit“ in der Fastenzeit oder „Heute ist ein guter Tag, um glücklich sein“ in Anlehnung an ein Lied von Max Raabe. Bei der Predigt legen wir Wert darauf, nicht Fragen zu beantworten, die niemand stellt, sondern das Evangelium so auszulegen, dass der Bezug der Texte zur Gegenwart deutlich wird. Die Predigtvorbereitung ist ein Gemeinschaftsprozess. Priester und Verantwortliche entwickeln im Vorfeld Predigtbausteine, die dann im Kernteam vorgestellt und von den anderen ergänzt und diskutiert werden. Ausgangsfrage ist immer das „Warum“ – Was berührt mich an den Texten, was möchte ich unbedingt loswerden? Sprachlich bemühen wir uns, einfach, konkret, persönlich und humorvoll zu sein und immer wieder überraschende Elemente einzuführen – von einem Interview mit Jürgen Klopp bis hin zum Computerspiel „Worms“.
  3. Willkommenskultur. Unser Hosting-Team begrüßt die Besucher:innen, unterstützt dabei, im oft sehr vollen Saal einen Platz zu finden und steht für Fragen zur Verfügung. Vor und nach der Messe kann man sich im Café stärken und sich austauschen. Moderator:innen machen die offizielle Begrüßung, leiten in einzelne Teile (Eucharistiefeier, Kommunion) ein und erklären unter dem Motto “Wos tua ma do (Was tun wir hier)?“ kurz und knackig jeweils ein Element aus der Messe. Das schätzen sowohl Seltenkommende, die von den Messritualen überfordert sind, als auch häufige Kirchgänger:innen, die an den Ablauf gewöhnt sind, aber auch nicht immer wissen, warum gewisse Dinge geschehen. Glaubensbekenntnis und Vaterunser projizieren wir an die Leinwand, um zu signalisieren, dass wir nicht voraussetzen, dass diese Gebete gekonnt werden.
  1. Visuals. Entscheidend für uns war es, nicht nur einfach eine Messe an einem anderen Ort zu machen, sondern diesen Ort auch ganz bewusst einzubeziehen. Das Bespielen der Leinwand ist also essenziell und beinhaltet die Lyrics der Lieder, Gebete, Visuals, Videoclips, Filmausschnitte und interaktive Elemente. Den Bußakt nennen wir „Herzensbereitung“ und gestalten wir als positiven Impuls mit Bebilderung, beim Zwischengesang gibt es ein Video oder eine Collage, die Thema und/oder Lesung aufgreift, die Predigt startet meistens mit einem Teaser (z.B. einer Filmszene), die neugierig auf die Erklärung macht.

Weitere Säulen

Während die Messe als regelmäßiger Versammlungsort das Herz von Kirche im Kino darstellt, gibt es noch zwei weitere Säulen:

  1. Gesprächsformate. Unser Ziel ist es, eine Gemeinde zu gründen, daher wollen wir Foren des Austauschs schaffen und immer wieder neue Menschen kennenlernen. Neben „Kirche mit Pfiff“ (Stammtisch) gibt es noch „Kirche am Berg“ (Wanderungen mit spirituellen Impulsen) und „Kirche im Gespräch“ (Dialog mit Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft).
  2. Karitatives Engagement. Unter dem Titel „Kirche in Aktion“ und frei nach dem Motto „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“ (Jacques Gaillot) bringen wir uns positiv in die Gesellschaft ein. Unsere Aktivitäten reichen dabei von Lebensmittelsammelaktionen bis hin zu Patenschaften für jugendliche Asylwerber:innen. Da der Priester im Team gleichzeitig Caritasseelsorger ist, ergeben sich hier automatisch Betätigungsfelder und Überschneidungen. Weiters kooperieren wir mit lokalen Vereinen und Organisationen, mit denen sich Schnittmengen ergeben.

Fazit

„Wir sind in den letzten Jahren nicht mehr in die Kirche gekommen (außer Begräbnisse, Taufen etc.) Jetzt innerhalb von 14 Tagen gleich zweimal.“

Solche Rückmeldungen hören wir öfter und freuen uns enorm darüber. Wir haben einen Schnitt von 150 Personen bei jeder Messe, was für ein ganz neues Projekt nicht schlecht ist. Die Menge ist bunt gemischt – Kirchgänger:innen, die einmal etwas anderes erleben wollen, genauso wie Seltenkommende und Atheist:innen; Jungfamilien und junge Erwachsene genauso wie ältere Personen.

Bis Juli läuft die Pilotphase, dann wird evaluiert und adjustiert, um nach der Sommerpause gut in den Herbst starten zu können. Wichtig ist es uns neben der ständigen Verbesserung von Abläufen etc., unser Team noch weiter zu vergrößern, Säule zwei und drei weiter auszubauen und über ein Angebot von Kleingruppen („Mini-Alphakurs“) oder Worshipnights auch tiefergehende spirituelle Impulse zu setzen.

 

Hashtag der Woche: #kinokirche

 

Beitragsbild: Marius Gire / Unsplash

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Title: Wenn die Kirche ins Kino kommt
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Date: April 29, 2024 at 01:22PM
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