„Der Mensch spielt Gott“ / Serie Westworld spricht diverse Gottesbilder an

„Der Mensch spielt Gott“ / Serie Westworld spricht diverse Gottesbilder an

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DOMRADIO.DE: Wann ist ein Mensch ein Mensch und ab wann entwickelt eine künstliche Intelligenz ein Bewusstsein? Die HBO-Serie Westworld geht seit vier Staffeln dieser Frage nach und bietet neben viel Action auch Grenzfragen zum Verhältnis von Mensch und Maschine. Der Ausgangspunkt der Serie ist ein Erlebnispark, in dem Menschen mit Robotern Abenteuer erleben. Man kann auf den ersten Blick zwischen Maschine und Lebewesen gar nicht unterscheiden. Warum ist die Serie mehr als nur gute Unterhaltung?

Uwe Reckzeh-Stein (Theologe und Betreiber des Podcasts „Die Popcorn-Pilger): Die Serie will einfach mehr als unterhalten. In diesem Fall wird die Grenzfrage Mensch/Maschine verhandelt, aber auch das nur an der Oberfläche, denn die Maschine ist immer eigentlich ein Vehikel für menschliche Grundfragen. Die Philosophie nennt das die „Kantschen Fragen“. Also: Was ist der Mensch zuerst bzw. worauf läuft es hinaus? Anfang und Ende. Dazwischen sind die drei Fragen: Was kann ich wissen? Was darf ich hoffen? Was soll ich tun? Also Ethik, Eschatologie und natürlich Erkenntnisfragen.

Dafür ist die Maschine das vermeintliche Gegenüber, das aber vielleicht doch keines ist und dadurch sehr viel über den Menschen selbst aussagen soll. Es geht nur im ersten Blick eigentlich immer um die Frage „Welche Gefahren bringt die künstliche Intelligenz mit sich?“ Es ist aber die eher untergeordnete Frage.

DOMRADIO.DE: Die Roboter werden sich nach und nach bewusst, dass sie von den Menschen nur zu ihrem Vergnügen benutzt werden und rebellieren. Was macht eigentlich ein Selbstbewusstsein aus? Welche Antwort kann man darauf geben?

Reckzeh-Stein: Die meisten Disziplinen, sowohl der Natur- und der Geisteswissenschaft würden übereinstimmend sagen, dass es die Empfindungsfähigkeit ist, also Erfahrungen zu machen und sie zu reflektieren. Beispielsweise mache ich die Erfahrung, was heiß ist, nicht darüber, dass ich eine Anzeige habe, sondern es tut mir weh, es brennt. Im nächsten Schritt lerne ich aus der Erfahrung und mache es lieber nicht wieder. Dann kann ich noch die Erfahrung machen, dass Feuer aber auch warm sein kann. Das heißt, ich kann das Bild des Feuers mit verschiedenen Erfahrungen, mit einer Symbolik, mit einer Metaphorik füllen.

Vor allem bin ich es, der diese Erfahrung macht. Ich erfahre mich als etwas, das nicht etwas anderes ist, vor allem nicht mein Gegenüber, in dem ich trotzdem Gemeinsamkeiten erfahre. Und das ist einer Maschine grundsätzlich nicht gegeben.

DOMRADIO.DE: Die Wissenschaftler, die die Roboter in der Serie entwickeln und ja auch immer wieder reparieren, die wirken fast wie Götter, die sehr kühl auf ihre Geschöpfe schauen. Gibt es eine Art Gottesbild in der Serie und sind die Menschen dann Gott für die Roboter, weil sie diese theoretisch erschaffen haben?

Reckzeh-Stein: Ganz viele verschiedene Gottesbilder werden immer wieder angespielt. Es wird dabei auch durchgespielt, wie wir selbst uns zu Gott verhalten. Wir nennen ihn einerseits Vater und unsere menschliche Erfahrung von Vätern ist ja durchaus eine eines fehlbaren Gegenübers. Andererseits ist ein Vater, den man als Kind vielleicht geradezu göttlich sieht, eben nicht Gott. Genau damit spielt diese Serie dann ja auch.

„Der Mensch spielt Gott. Das sagen wir heute gerne mal, es ist so ein schwebender Begriff zum Beispiel in der Gentechnik.“

Die Roboter sehen zwar in den Menschen dann ihren Schöpfer, aber je mehr sie diesen Schritt heraus machen aus der Unmündigkeit, auch wenn wir dann wieder bei Kant sind, dann sieht man das Spiel der Serie, dass der Mensch Gott spielt. Das sagen wir heute gerne mal, es ist so ein schwebender Begriff zum Beispiel in der Gentechnik: „Oh, der Mensch sollte nicht Gott spielen.“ Das kommt immer dann, wenn wir versuchen, Leben und Bewusstsein zu schaffen, ob Klonen oder Maschinen. Das wird sehr gerne in Film und Serien verhandelt. Aber es geht eher darum, dass der Mensch sich für Gott hält, als dass er wirklich ein Gott wäre.

DOMRADIO.DE: Vor wenigen Wochen sorgte ja ein Programmierer von Google für Aufsehen, weil er behauptet hatte, dass der Google Chatbot LaMDA empfindungsfähig sei und ein Bewusstsein entwickelt habe. Für wie denkbar halten Sie es, dass eine künstliche Intelligenz nicht mehr nur menschliches Verhalten imitiert, sondern zu etwas Eigenem wird, zu einer selbstständigen Lebensform? Dann wären wir ja theoretisch tatsächlich Gott, wie Götter.

Reckzeh-Stein: Dann hielten wir uns mehr für Gott. Das nimmt uns unsere Fehlbarkeit ja nicht weg. Der Google-Programmierer macht einen Kategorienfehler. Er kann sich unterhalten und LaMDA besteht den sogenannten Turing-Test. Das Programm hat es erfolgreich geschafft, dass ein anderer Mensch sich einbildet, LaMDA wäre eine Person. Das ist ja gewollt und das ist auch nicht grundsätzlich kritisch zu sehen. Man möchte eine Maschine so weit haben, dass wir mit ihr einen Dialog führen können, damit sie unsere Probleme lösen kann, unsere Fragen beantworten kann, uns unterhalten kann. Das wollen diese Unternehmen ja und viele von uns auch. Das ist erst mal noch nicht das Problem.

Das Problem ist dann, wenn man glaubt, jetzt sei aus der Technik, die irgendwann so komplex wird, dass wir sie nicht überblicken können, ein quasi magisch göttlicher Schritt passiert. Dann kommt etwas, das wir grundsätzlich nicht verstehen und das ist Bewusstsein. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dann vermutet man da Seele. Das macht uns aber nicht zu Gott, gerade weil wir immer noch vor dieser Wand der Unkenntnis stehen: Was ist das eigentlich? Wie funktioniert das? Wo kommt das her? Wir verfügen das ja nicht. Diese Futuristen glauben ja, da passiert dann so ein Schritt, den wir selbst nicht verstehen und dann doch wieder nicht selbst machen. Ich glaube aber, dazu sind wir nicht in der Lage. Und auch LaMDA ist nach wie vor nur eine sehr gute Maschine.

Das Interview führte Michelle Olion.

Religion

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August 4, 2022 at 01:22PM