Messfeierepisoden

Messfeierepisoden

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Ich erzähle im Folgenden ein paar Episoden zur Kultur unserer Messfeiern.
Was ich dabei beabsichtige, ergibt sich von selbst…

1. Rom

Ich war zu einem Vortrag über die Lage des Glaubens in Europa im Generalat der Schulschwestern in Rom eingeladen. Am Morgen beabsichtigte ich das Grab meines Lieblingspapstes Johannes XXIII. im Petersdom zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit wollten die mich begleitende Oberin und ich eine heilige Messe mitfeiern.

Kaum waren wir in der monumentalen Peterskirche, hörten wir ein Glöckchen. Aus der Sakristei kam ein Priester mit barocker Kasel. Vor ihm trug ein Ministrant die Kännchen mit Wein und Wasser. Sie gingen zum Altar gleich neben dem Grab des Konzilspapstes, durchschritten das Kommuniongitter und verschlossen es hinter sich. Davor standen wir vier: die Schulschwester, eine weitere Schwester aus Spanien, noch eine Person, die sich dazugesellt hatte und ich.

Dann begann eine Messe rein nach dem Tridentinischen Ritus: mit Stufengebet, in lateinischer Sprache. Der Ministrant trug das Messbuch von der einen auf die andere Seite. Ich hatte viele Jahre die Messe in diesem Ritus gefeiert. So konnte ich mich mit nostalgischen Gefühlen gut einlassen. Mir machte es auch nichts aus, dass der Priester uns den Rücken zuwandte. Hatte ich doch bei Joseph Andreas Jungmann SJ in Innsbruck gelernt, dass beide Anordnungen Sinn machen: die gemeinschaftliche und die prozessuale – Jesus in unserer Mitte sowie Jesus an der Spitze der Weggemeinschaft und wir hinter ihm her.

Dann war das Hochgebet vorüber. Der Priester schickte sich an, das Pater noster in lateinischer Sprache vor sich hin zu beten. Arglos fingen wir vier an, des Lateins kundig, laut mitzusprechen. Da drehte sich der Ministrant um und bedeutete uns mit grimmigem Blick und einer klaren Handbewegung, dass wir das gefälligst unterlassen sollten.

Der Priester liest die Messe für sich, wir waren „circumstantes“ („Herumstehende)“, so der alte Ausdruck.

2. Stephansdom in Wien

In der Zeit, als Kurt Krenn nicht gerade herbeigesehnter Weihbischof in Wien war, habe ich mitbekommen, wie dieser völlig allein an einem Seitenaltar seine Messe zelebrierte. Das haben früher auch Jesuiten in St. Georgen bei Frankfurt gemacht. Dort gab es so etwas wie abgeschirmte „Zelebrationskojen“ für ungestörtes Zelebrieren. Fragte man nach, ob das denn ohne Teilnehmende theologisch so einfach möglich sei, lautete die Antwort: immerhin feiern doch Engel mit.

3. Kardinal Volk

Ich war einmal Vortragender bei einer Veranstaltung in Mainz. Mein Vorredner war der von mir sehr geschätzte Kardinal Hermann Volk. Ich hatte beim Pultwechsel die Möglichkeit ihn zu fragen, ob denn folgende Erzählung zutreffend sei. Er bejahte.

Es war auf der Würzburger Synode (1972-1975). Bei einem Gottesdienst saß der Kardinal in der Bank. Kam ein anderer Bischof vorbei und fragte ihn: „Herr Kardinal, konzelebrieren sie nicht?“ Darauf Kardinal Volk: „Bin ich nicht Volk?“

4. Tertullian

Bekannt ist eine Aussage des Kirchenlehrers Tertullian in Karthago um 209. Es ging um die Frage, warum Laien beim Tod einer Ehefrau wieder heiraten dürfen, die Priester aber nicht. Tertullian war dagegen. Sein Argument[1]: Ihr seid doch alle priesterlich.

Und das begründete er mit einer damals sichtlich unumstrittenen Praxis. Wenn die kirchliche Autorität einer Gemeinde keinen Ordinierten zuweisen konnte, nahmen sie einen aus ihrer Mitte, der dem offerre et tinquere, der Taufe und der Eucharistie vorstand. Das priesterliche Gottesvolk taufte also und feierte Eucharistie, in Normalfall mit einem ordinierten Vorsteher, im Notfall mit einem aus der Mitte. Bei der Nottaufe gilt das bis heute auch kirchenrechtlich. Ich kenne Gemeinschaften, die angefangen haben, Noteucharistien („Herrenmahl“) zu feiern. Das ist wohl unerlaubt, aber theologisch nicht nichts.

Die Texte des alten Ersten Hochgebets gehen auch davon aus, dass das gesamte versammelte Volk zelebriert, also feiert:

„Gedenke deiner Diener und Dienerinnen N.N.
(für die wir heute besonders beten)
und aller, die hier versammelt sind.
Herr, du kennst ihren Glauben und ihre Hingabe;
für sie bringen wir dieses Opfer des Lobes dar,
und sie selber weihen es dir
für sich und für alle,
die ihnen verbunden sind,
für ihre Erlösung und für ihre Hoffnung
auf das unverlierbare Heil.
Vor dich, den ewigen,
lebendigen und wahren Gott,
bringen sie ihre Gebete und Gaben.“

5. Wer dankt also wem wofür?

In Zeiten, in denen der Gang zur Kirche seltener wird, freuen sich nicht wenige Priester, wenn dennoch Leute da sind. Diese verständliche Freude kommt dann am Ende der Feier oft so zum Ausdruck: „Danke, dass Ihr gekommen seid und die Messe mitgefeiert habt.“ Hier bleibt offen, wer feiert und wer mitfeiert.

Ich habe inzwischen für mich umgelernt und halte mich an Kardinal Volk. Es ist das Volk Gottes, das feiert: also zelebriert.[2] Alle die da sind, konzelebrieren. Ich bedanke mich daher bei den Leuten, dass ich mit ihnen als ordinierter Vorsteher konzelebrieren durfte.[3]


[1] „Sind nicht auch wir Laien Priester? Es steht geschrieben: ‚Er hat uns zu Königen gemacht und zu Priestern für Gott und seinen Vater.’ Den Unterschied zwischen Priesterstand und Laien hat die Autorität der Kirche festgesetzt und die von Gott geheiligte Rangstellung im Kreise der Kleriker. Wo kein kirchlicher Stand eingerichtet ist, da bringst du das heilige Opfer dar und spendest die Taufe und bist für dich allein Priester; selbstverständlich ist da eine Kirche, wo drei beisammen sind, mögen sie auch Laien sein.“ Tertullian: De exhortatione castitatis, 7.3.

[2] Kaproń, Kasper Mariusz OFM: Synodale Kirche – eine sakramentale Gemeinschaft, in: Synodalisierung, Ostfildern 2022, 209-222.

[3] Mehr dazu in: Zulehner, Paul M.: Leidenschaft für die Welt. Wider die Gottvergessenheit, Ostfildern 2023 (in Druck).

Religion

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April 2, 2023 at 07:16PM