Studie: Die meisten Lehrkräfte nutzen ihren Dienst-Laptop kaum – weil die Schul-IT nicht vernünftig funktioniert

BERLIN. Schlechte Rahmenbedingungen und fehlende Zeit bremsen die hohe Bereitschaft der Lehrkräfte zu digitalem Unterricht. Dies zeigt eine neue Studie der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Universität Göttingen, die von der Berliner GEW in Auftrag gegeben  wurde. Die große Diskrepanz zwischen den Bemühungen der Lehrkräfte und den zur Verfügung stehenden Ressourcen sorge unter Lehrkräften für großen „digitalen Stress“, der ihre Gesundheit gefährde, heißt es.

Es hapert allzu oft an der Schul-IT (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

„Wir Lehrkräfte wollen guten Unterricht machen“, sagt Maximilian Tessenow, Lehrer an der Clay-Schule in Neukölln, bei der Vorstellung der Studienergebnisse. „Wir Lehrkräfte haben längst erkannt, dass der Einsatz digitaler Mittel unseren Unterricht bereichert.“ Aber: „Die Umstellung auf das neue Endgerät kostet viele Kolleg*innen Zeit, die sie nicht haben. Viele fühlen sich ausgebremst, weil sie mit ihrer eigenen Technik eingespielt sind und die aber nicht mehr verwenden dürfen.“

An seiner Schule könne er erleben, wie in einem Neubau funktionierende Technik, WLAN und digitale Tafeln die Arbeit von Lehrkräften erleichtert. Tessenow: „Das ist aber leider die seltene Ausnahme. Ich höre von vielen Kolleg*innen aus anderen Schulen, dass sie sich auf ihre Technik nicht verlassen können und darum doppelt planen müssen, digital und analog. Das verursacht Stress und verbrennt zusätzliche Zeit. Ein technischer Support vor Ort und Studientage zur Schulentwicklung mit dem ganzen Kollegium sind dringend notwendig, damit die Digitalisierung endlich in Schwung kommt.“

Der Bericht des Lehrers macht anschaulich, was Wissenschaftler der Universität Göttingen nun herausgefunden haben. Sie stellten die ersten Ergebnisse einer Arbeitsbelastungsstudie unter 2.385 Berliner Lehrkräften vor, die aufzeigen sollen, wie es um den digitalen Unterricht in Berlin bestellt ist. Die Befragung mache deutlich, dass die Nutzung digitaler Medien in Berliner Schulen zur Regel geworden ist, heißt es. Zwei von drei Lehrkräften nutzten digitale Medien jeden Tag in ihrem Unterricht. Insgesamt 93 Prozent nutzen sie mindestens jede Woche. Drei Viertel der Befragten sagen, sie würden gerne noch mehr digitale Elemente in ihren Unterricht einbauen.

Doch die Rahmenbedingungen erschwerten den Einsatz digitaler Medien und Methoden enorm. 79 Prozent der Befragten benennen die „fehlende Vorbereitungszeit für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht“ als Haupthinderungsgrund. Das führe dazu, dass die Digitalisierung vor allem als Belastung empfunden wird. So benennen 71 Prozent der Befragten die „Auswirkungen der Digitalisierung“ als einen Hauptfaktor für ihre Arbeitsbelastung.

„Nur ein Drittel der Lehrkräfte nutzt das von der Senatsverwaltung herausgegebene persönliche digitale Endgerät regelmäßig mindestens wöchentlich“

Dr. Frank Mußmann, Leiter der Studie, zeigte sich bei der Vorstellung der Ergebnisse überrascht über den Kontrast zwischen der hohen Bereitschaft der Lehrkräfte zu mediengestütztem Unterricht auf der einen Seite und den großen Schwierigkeiten der Schulverwaltung, angemessene Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

„Der gewichtigste Hinderungsgrund beim digitalen Unterrichten sind die organisationalen Hindernisse: technische Ausfälle, mangelnde Unterstützung und zu wenig zeitliche Spielräume bei der Umsetzung“, so Mußmann. Er nannte ein Beispiel: „Nur ein Drittel der Lehrkräfte nutzt das von der Senatsverwaltung herausgegebene persönliche digitale Endgerät regelmäßig mindestens wöchentlich, unter anderem weil es sich nicht mit der digitalen Tafel in der Schule verbinden lässt. Wieso ist so ein Problem nach zwei Jahren noch immer nicht gelöst?“ Viele Lehrkräfte verwendeten deshalb private Geräte, obwohl das gar nicht erlaubt sei.

Unterm Strich erleben laut Umfrage 55 Prozent der Befragten „stärkeren“ oder „sehr starken digitalen Stress“. Bei den übrigen 45 Prozent ist er „gering“ oder „sehr gering“ ausgeprägt. Folge könnten gesundheitliche Schäden bis hin zu Burn-out sein, warnte Mußmann. Der Wissenschaftler sieht daher Handlungsbedarf bei der Bildungsverwaltung.

Seine Vorschläge: Mehr Weiterbildung, besserer Support, bessere IT-Infrastruktur und Abbau der Hürden für die Nutzung dienstlicher Endgeräte. Dies hätte nach seiner Einschätzung direkten Effekt auf die Gesundheit der Lehrkräfte: „Da hoher digitaler Stress ein Gesundheitsrisiko darstellt, ist es im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes notwendig, die Umsetzung des digital unterstützten Lehrens und Lernens an den Berliner Schulen zu verbessern.“

„Die Befragung zeigt eindeutig, dass die Lehrkräfte hoch motiviert sind und digital arbeiten wollen“

„Die Ergebnisse sollten Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch endgültig wachrütteln, denn bisher wird die Schuldigitalisierung von den politisch Verantwortlichen verschlafen“, kritisiert Anne Albers, Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der Berliner GEW. „Die Befragung zeigt eindeutig, dass die Lehrkräfte hoch motiviert sind und digital arbeiten wollen. Die Senatsbildungsverwaltung zieht ihnen dabei buchstäblich den Stecker. Fehlender Support, dysfunktionale Geräte sowie zu geringe Apps und fehlendes WLAN verhindern oft die Umsetzung. Teure Geräte zu beschaffen allein reicht nicht, wenn die digitale Infrastruktur nicht entwickelt wird und die Lehrkräfte keine Zeit für die Arbeitsumstellung bekommen“, betont Albers.

Albers ruft die Christdemokratin auf: „Setzen Sie sich mit der GEW an einen Tisch und sprechen Sie mit uns darüber, wie der notwendige Schulentwicklungsprozess hin zu einer digitalisierten Schule aussehen kann. Die Lehrkräfte müssen die benötigte Zeit und organisatorische Unterstützung erhalten, damit die Berliner Schulen rauskommen aus der Kreidezeit. Wir fordern Studientage zur Entwicklung digitaler Arbeit in Schule, digitale Arbeitsplätze in der Schule sowie mit digitaler Technik ausgestattete Unterrichtsräume, die Einstellung von IT-Support-Personal und die Einhaltung von Daten- und Arbeitsschutz. Der Senat muss liefern, bevor die Lehrkräfte vollends demotiviert sind“, so Albers. News4teachers / mit Material der dpa

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Title: Studie: Die meisten Lehrkräfte nutzen ihren Dienst-Laptop kaum – weil die Schul-IT nicht vernünftig funktioniert
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Date: February 16, 2024 at 04:20PM
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