Überraschung zu Weihnachten

Ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare ist jetzt auch in der katholischen Kirche möglich. Zwar beharrt der Vatikan in der am Montag veröffentlichten Erklärung „Fiducia supplicans“ auf der strikten Unterscheidung zwischen sakramentaler Ehe und irregulären sowie gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Dennoch stellt die Entscheidung des Papstes eine Kehrtwende dar. Noch 2021 stellte die Glaubenskongregation fest, dass eine Segnung homosexueller Paare „nicht erlaubt“ sei. Heute erklärt die oberste Glaubensbehörde mit einigen theologischen und argumentativen Klimmzügen, dass damals nur eine Segnung im Sinne der sakramentalen Ehe gemeint gewesen sei, die auch weiterhin verboten ist. Daneben habe man jetzt aber auf Wunsch und in Anlehnung an das Wirken von Papst Franziskus „ein umfassenderes Verständnis von Segnung entwickelt“. Und damit sei ein Segen doch möglich. Mit dem Fokus auf der Seelsorge versucht der neue Präfekt des Glaubensdikasteriums und Franziskus-Intimus, Kardinal Víctor Manuel Fernández, bei Beibehaltung der traditionellen Lehre zu Ehe und Homosexualität einen „innovativen Beitrag zur pastoralen Bedeutung von Segnungen zu bieten“.

Der Papst möchte eine Kirche, in der alle willkommen sind. Franziskus gestern bei einem Treffen mit Kindern aus Anlass seines 87. Geburtstags im Vatikan. (Quelle: reuters)

„Kirche für alle“ konkret

Der Begriff „Innovation“ findet sich eher selten in lehramtlichen Dokumenten der katholischen Kirche. Der neue Glaubenspräfekt benutzt es schon in der Einführung seines ersten größeren Dokuments als oberster Glaubenshüter. Es könnte der Anfang eines neuen Selbstverständnisses der vatikanischen Glaubensbehörde sein. Papst Franziskus sprach vor allem zu Beginn seines Pontifikats von „kreativen Ansätzen“ in der Pastoral. Doch aus den Reihen der vatikanischen Behörden war dazu lange nichts zu hören. Kardinal Fernández schreibt jetzt in der Einleitung zu dem 14-seitigen Dokument, dass es Aufgabe seines Dikasteriums sei, „neben dem Verständnis der beständigen Lehre der Kirche die Rezeption der Lehre des Heiligen Vaters zu fördern“. Und der spricht seit langer Zeit von einer Kirche, die nicht ausgrenzen darf, sondern für alle da sei. „Alle, alle, alle“ seien in der Kirche willkommen, rief er den Jugendlichen beim Weltjugendtag in Lissabon im Sommer zu. Doch diejenigen, die nicht zu 100 Prozent dem katholischen Eheideal entsprechen, fühlen sich seit langer Zeit in großer Mehrheit nicht willkommen in dieser katholischen Kirche.

Die aktuelle Entscheidung des Papstes ist nun ein erster Schritt, diese „Kirche für alle“ Realität werden zu lassen. Dabei wirkt das neue Dokument allerdings einmal mehr wie die Quadratur des Kreises. Eine Gefühl, dass sich im aktuellen Pontifikat immer wieder einstellt. Einerseits wird an der traditionellen Lehre zu Ehe und Homosexualität festgehalten, andererseits wird eine Tür aufgemacht, die bisher verschlossen war. Es ist ein erster Schritt. Dabei stellt der Papst eine große Zahl von Schranken und Hürden auf. Gleich mehrfach wird betont, dass es keine Ritualisierung geben soll. Es wird sogar ausdrücklich untersagt, weil der Vatikan eine Verwechslung mit dem Ehesakrament befürchtet. Das dürfte die Deutsche Bischofskonferenz in schwere Nöte bringen, die nach den Beschlüssen des Synodalen Wegs zum Thema genau das vorhat.

Trotz vieler „Aber“ eine Öffnung

Der Vatikan liefert übrigens neben der Verwechslungsgefahr noch weitere Gründe für die Ablehnung von Handreichungen und einer Ritualisierung. Das „würde eine schwerwiegende Verarmung darstellen, denn sie würde eine Geste von großem Wert für die Volksfrömmigkeit einer übermäßigen Kontrolle unterwerfen und die Seelsorger der Freiheit und Spontaneität in ihrer seelsorglichen Begleitung des Lebens der Menschen berauben“. Mit einer ähnlichen Argumentation hatte Franziskus bereits bei der Frage nach dem Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene argumentiert. Normen könnten zu einer „unerträglichen Kasuistik führen“, so Franziskus in seinem Schreiben Amoris laetitia.

Nichtsdestotrotz steckt in der Entscheidung das Potential für eine Revolution. Sie könnte eine Brücke bauen für weitere Entwicklungen im Kontext von Ehe, Beziehungen, Sakramenten und deren Bewertung durch die katholische Kirche. Interessant ist, dass das Papier an fast allen Stellen zwischen „irregulären Situationen“ und „gleichgeschlechtlichen Paaren“ unterscheidet. Warum diese Unterscheidung getroffen wird, wird nicht erläutert, könnte aber bei weiteren theologischen Diskussionen noch eine Rolle spielen. Es ist zu erwarten, dass Konservativen die aktuelle Erklärung zu weit geht und sie vor allem auf die Passagen verweisen werden, die die Beibehaltung der traditionellen Lehre propagieren. Reformern wird das Papier nicht weit genug gehen. Unabhängig davon gilt: es ist eine grundlegende Veränderung der bisherigen offiziellen kirchlichen Lehre in der Frage des Segens für gleichgeschlechtliche Paare.



Title: Überraschung zu Weihnachten
URL: https://blog.zdf.de/papstgefluester/2023/12/18/ueberraschung-zu-weihnachten/
Source: Papstgeflüster – Das Vatikan-Blog
Source URL: https://blog.zdf.de/papstgefluester
Date: December 19, 2023 at 12:07AM
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