Wie Kirchen ihr Geld anlegen

Wie Kirchen ihr Geld anlegen

https://ift.tt/BWiHAkc



Regeln für das Vermögen

Wie Kirchen ihr Geld anlegen

Stand: 24.12.2022 17:56 Uhr

Beim ethisch-nachhaltigen Investieren sehen sich die Kirchen in Deutschland als Vorreiter. Von den eigenen Auswahlkriterien für Wertpapiere rücken sie manchmal aber ab – und zögern beim Thema Transparenz.

Wenn Heinz Thomas Striegler das rund 70 Seiten dicke Heft in der Hand hält, dann hat man den Eindruck, dass bei ihm ein wenig Stolz mitschwingt. Den „Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ hat er mitentwickelt. Schon 2011 kam die erste Auflage heraus, im Februar nächsten Jahres soll es dann die fünfte geben.

Striegler, 65 Jahre alt, leitet die Verwaltung der evangelischen Kirche Hessen-Nassau. Für ihn ist der Leitfaden ein wichtiger Standard in Deutschland. „Und den versuchen wir, so gut es geht, einzuhalten“, sagt er.

Striegler muss unter anderem darauf achten, dass die 975 Millionen Euro, die seine Landeskirche im vergangenen Geschäftsbericht an Rücklagen aufgeführt hat, nach christlichen Wertvorstellungen angelegt werden. Das Gesamtvermögen stecke in 25 Spezialfonds, die über die Privatbank Metzler in Frankfurt liefen. „Das Geld wird im Wesentlichen in Anleihen, Aktien, Immobilien und in Infrastruktur angelegt“, erläutert er. Also eine klassische Depotmischung.

Rüstung und Pornografie sind tabu

Der Leitfaden listet auf, welche Art von Unternehmen und Staaten für die Fondsmanager tabu sind. Er ist fast deckungsgleich mit jenen Prinzipien, die die Deutsche Bischofskonferenz, also die katholische Kirche, verabschiedet hat.

Die Kirchen wollen zum Beispiel nicht in Rüstungskonzerne investieren, kein Glücksspiel, keine Gentechnik und keine Pornografie unterstützen. Genauso stehen auf dem Index Firmen, die Tabak oder hochprozentigen Alkohol herstellen (Bier- und Weinproduzenten sind erlaubt), Glücksspiel betreiben, fossile Energien fördern oder gegen Arbeits- und Menschenrechte verstoßen.

Ähnliches gilt für Staaten: Keine, die kriegstreibend wirken, Menschenrechte verletzen, die Todesstrafe eingeführt haben, korrupt sind oder sich nicht um das Klima scheren. „Es wäre schön, wenn das alles so schwarz-weiß wäre“, sagt Striegler. Die Wirklichkeit sei anders. Da gebe es dann etwa Unternehmen mit einer breiten Produktpalette, in der auch ein sehr kleiner Teil Rüstung stecken könne.

Schwierige Prüfung und Auswahl

Im Einzelfall ist die Auswahl nicht immer leicht, erfordert mitunter viel Nachforschungen. „Wie im Markt üblich geschieht dies bei uns automatisiert auf der Basis von Daten, die uns Analyse-Institute bereitstellen. Wir selbst können nicht jedes einzelne Unternehmen prüfen“, sagt Oliver Pfeil, Geschäftsführer der EB-SIM, die Vermögensverwaltung der Evangelischen Bank.

Wenn ein Unternehmen negativ auffällt, wird das entsprechende Wertpapier entweder nicht gekauft oder fliegt aus dem Depot. Pfeil nennt als Beispiel einen chinesischen Windanlagen-Hersteller, der zu nachlässig mit Zwangsarbeit in der Provinz Xinjiang umgegangen sei. „Für uns ist wichtig, dass Unternehmen alles in ihrer Macht Stehende tun, damit solche Verstöße nicht stattfinden. In dem Fall konnte uns das Unternehmen nicht überzeugen“. Die Aktie wurde verkauft.

Ölproduzent in nachhaltigem Fonds

In anderen Fällen legen die Vermögensverwalter ihre strengen Auswahlkriterien auch mal lockerer aus. Zum Beispiel vertreiben die katholische Pax-Bank und die Liga-Bank gemeinsam über die Gesellschaft Union Investment mehrere ethisch-christliche Fonds, die auf den ersten Blick wie ein Etikettenschwindel wirken.

In der Liste eines Fonds (Liga-Pax-Cattolico-Union) taucht zum Beispiel die Aktie von Diageo auf, ein Whisky-Hersteller mit Marken wie J&B und Johnnie Walker. Solche Werte stehen bei den Kirchen eigentlich auf dem Index.

Das französische Software-Unternehmen Dassault Systèmes arbeitet unter anderem mit der Rüstungsindustrie zusammen. Cheniere Energy wiederum betreibt Flüssiggas-Terminals, Valero Energy ist ein amerikanischer Mineralölkonzern, beide fördern also fossile Energien, eigentlich ein Ausschlussgrund. In anderen Fonds finden sich ähnliche Beispiele.

Kirchen wollen Transformation fördern

Auf Nachfrage bringt Michael Kobel, Fondsmanager bei der Union Investment, das Thema Diversifikation ins Spiel. Wer nur „reinrassig“ grüne Unternehmen, oft Spezialanbieter, im Depot habe, trage ein größeres Risiko. Darum führt ein Fonds der evangelischen Bank (EB Sustainable Large Cap Equities Euroland) zum Beispiel die Aktie des französischen Ölkonzerns Total auf – der allerdings verstärkt auch Offshore-Windparks betreibt.

Oliver Pfeil verweist in dem Zusammenhang auf das sogenannte Impact Investing. Mit der Geldanlage soll also eine positive soziale oder ökologische Wirkung erzielt werden. „Es geht auch darum, Unternehmen mitzunehmen, die vielleicht heute noch nicht da sind, wo wir sie gerne hätten, die sich aber auf den Weg gemacht haben, nachhaltiger zu werden, mehr regenerative Energien zu nutzen.“ Wer sich auf dem Weg der ethisch-christlichen Besserung befindet, wird also unterstützt.

Keine Informationen zu Einzelwerten

Im Bistum Limburg führt das dazu, dass man auch in Anleihen von Automobil-Konzernen investiert. „Wir wollen dieser Industrie auch die Möglichkeit geben, die technischen Fortschritte zu erzielen, die man benötigt, um die Dekarbonisierung effizient nach vorne zu treiben“, sagt Thomas Frings, der Finanzdezernent des Bistums.

In Limburg steckt das Kirchenvermögen unter anderem in drei Spezialfonds, deren Aktien und festverzinsliche Papiere 1,4 Milliarden Euro wert sind. Konkretere Angaben zu den Fonds sind aber weder im jährlichen Geschäftsbericht des Bistums noch woanders auf der Internetseite zu finden. Kein einziger Einzelwert wird genannt. Interessierte Gläubige, die regelmäßig Kirchensteuern zahlen, können also nicht überprüfen, ob die strengen Auswahlkriterien auch eingehalten werden.

Frings argumentiert, dass sich bislang nur sehr wenige Menschen für dieses Thema interessiert hätten. „Mit der Veröffentlichung der einzelnen Titel bringen wir nicht den Mehrwert, den man sich dadurch versprechen würde. Wir würden dann ein Datengrab zur Verfügung stellen“.

Keine vollständige Transparenz

Auch die evangelische Kirche Hessen-Nassau veröffentlicht keine Einzelwerte aus ihren Depots. Laut Striegler wäre das nur schwer umsetzbar. „Sie können sich vorstellen, dass sich täglich die Zusammensetzung der Fonds ändert. Da macht es wenig Sinn. Ich glaube, es nützt nichts, Tausende von Titeln den Menschen deutlich zu machen.“

Viel wichtiger seien die kirchlichen Überzeugungen. Und die stünden im Leitfaden für die ethisch-nachhaltige Geldanlage. Zusätzlich soll die Technik beim christlich korrekten Aktienkauf helfen. „Wir müssen darauf achten, dass die Unternehmen, die ausgeschlossen sind, auch tatsächlich nicht erworben werden können“, sagt Striegler.

Konkret heißt das: Wenn ein von der evangelischen Kirche beauftragter Fondsmanager ein Wertpapier kaufen will, das auf dem Index steht, leuchtet auf seinem Bildschirm eine Warnmeldung auf.

Verschiedenes

via tagesschau.de – Die Nachrichten der ARD https://ift.tt/xaiS26f

December 24, 2022 at 06:02PM